Im Rahmen unserer Veranstaltungskooperation mit dem Akustik-Gitarrenforum Hallein konnten wir tolle Gitarrenkonzerte präsentieren. Nach Peter Finger und Werner Lämmerhirt war Claus Boesser-Ferrari zu Gast und faszinierte uns mit seinem unglaublich virtuosen Spiel. Im Reichenhaller Tagblatt vom 11. Februar 2012 wurde darüber berichtet.

 

Neue Klangwelten und spannende Geschichten ganz ohne Worte

Claus Boesser-Ferrari zelebriert seine Gitarrenkunst im Magazin 4

BAD REICHENHALL – Es ist bitterkalt in der Kurstadt. Doch eine erstaunlich große Anzahl von Musikliebhabern hat den Weg in die Alte Saline dennoch nicht gescheut, um den Gitarrenvirtuosen Claus Boesser-Ferrari zu erleben. Kenner der Akustik-Gitarren-Szene wissen: Der in Bellheim in der Pfalz geborene Künstler entzieht sich mit seinem Spiel sämtlichen Kategorien und Schablonen, in denen sich Musiker zumeist einordnen lassen (müssen). Seine Konzerte entwickeln sich entsprechend oft überraschend und spontan, je nach Lust und Laune des Akteurs. Das Ambiente auf dem Areal der Saline findet er schön, betont Boesser-Ferrari zur Begrüßung und dass ihm die Atmosphäre im Magazin 4 gefällt, ist offensichtlich.

Passend zu den Minustemperaturen vor der Tür beginnt seine Darbietung mit „Polar“ aus dem von ihm komponierten Soundtrack für das Theaterstück „Polarabend“. Sofort ist es mucksmäuschenstill im kleinen Saal. Kein Klappern von Gläsern, kein Stühlerücken und schon gar keine Gespräche im Flüsterton. Was nach den ersten Takten an die Gehörgänge der Zuhörer gelangt, hat mit herkömmlichem Gitarrespiel überhaupt nichts gemein. Die Saiten seiner Akustik-Gitarre werden raffiniert gezupft und angeschlagen, der Korpus dient ihm außerdem als Percussionsinstrument. Deshalb liegt auf dem bereitgestellten Tischchen auch ein Mallet, ein Schlägel, wie ihn die Vibraphonisten benutzen. Boesser-Ferrari arbeitet mit Echos, klopft und schrubbt mit den Fingern und hat im Laufe der Zeit auf seiner Gitarre erhebliche Kratzspuren hinterlassen. Mit kleinen, unspektakulären Hilfsmitteln schafft er genre-übergreifende Tonfarben, die sich so gar nicht unter dem gebräuchlichen Ausdruck „Fingerstyle“ eingruppieren lassen.

Zu Beginn seines ersten musikalischen „Kapitels“ befindet er sich gedanklich am Polarkreis, doch ganz langsam fliegt er in südlichere Gefilde, streift einige Takte „Light my fire“ von den Doors, verweilt dann beim „Keeper of the Plains“, der Indianerstatue in Wichita am Arkansas-River. Ein Besuch beim kubanischen Musiker Mongo Santamaria ist Anlass für feurige Klänge, und mit einem Auszug aus „Welcome“, das er vor Jahren zur Geburt seiner Tochter geschrieben hat, endet sein fast zwanzigminütiges Eröffnungsstück.

„Schön, dass ihr noch da seid“, meint er humorvoll. Völlig unbegründet ist des Künstlers „Sorge“ um das Publikum, das er längst gefesselt hat. Niemand hätte freiwillig das Konzert verlassen, groß ist die Neugierde, was der Abend noch bringen wird.

Der charmante Mann mit der Silbermähne erzählt vor dem nächsten Klangbild über seine Liebe zu alten Indianerfilmen. „Der Schatz im Silbersee“ und „Winnetou III“ („das ist der, wo Winnetou stirbt“), sind seine Favoriten. Die Filmmusik daraus verarbeitet er in einer eigenen Komposition, ebenso einen Besuch auf Einladung des Goethe-Instituts in Brasilien. Mit fließenden, harmonischen Klangkaskaden verzaubert er nun seine Gäste. Dabei wendet er allerlei technische Tricks an. Lange hat er beispielsweise damit experimentiert, die Saiten ohne manuelle Berührung in einer bestimmten Weise zum Schwingen zu bringen. Mit einem Föhn hat es nicht wie gewünscht funktioniert, aber ein „Handventilator“ erfüllt genau diesen Zweck. „Ich habe alle in meinem Wohnort verfügbaren Geräte aufgekauft“, verrät er.

Im zweiten Teil seines Programms kommt Claus Boesser-Ferrari zurück zu den Ureinwohnern Nordamerikas. Über den rituellen „Lakota-Song“ alter Indianerinnen und dem „Witchi Tai To“ des amerikanischen Jazzmusikers Jim Pepper, der von den Kansa-Indianern abstammt, kombiniert mit ein paar Elementen von Shakiras „Pienso En Ti“, findet er zuletzt den Weg zu einem jüdischen Traditional („Der Rabbi tanzt“) – wieder eine stimmungsvolle Reise durch ganz unterschiedliche musikalische Ebenen.

Klassisch ausgebildet, ist Boesser-Ferrari seit vielen Jahren als gefragter Komponist für das Theater tätig, unter anderem für die Schaubühne in Berlin. Dort wurde das Schauspiel „Roberto Zucco“ inszeniert, ein Drama über das Leben und die Verbrechen des Massenmörders Roberto Succo von Bernard-Marie Koltès. Sequenzen aus dieser Bühnenmusik verbindet er mit Takten aus seinem Lieblingskirchenlied „Wir sind nur Gast auf Erden“, ein Marsch von Kurt Weill und ein bisschen „Police“ („Every Breath You Take“) werden ebenfalls eingebaut. Und erneut gelingt es ihm, eine klangvolle Geschichte zu erzählen, ohne auch nur ein Wort zu sprechen. Zum Schluss ertönen kurzzeitig Melodien aus der Südsee. Sie gehören zum Soundtrack von „Floreana“, einem Theaterstück über die sogenannte „Galápagos-Affäre“, die sich auf einer Insel im gleichnamigen Archipel im Jahre 1934 ereignete. Was heiter beginnt, endet unheimlich – mit Mord. Noch einmal wird eine Story mit einfühlsam musikalisch interpretiert, von einem virtuosen Meister mit schier grenzenloser Kreativität. Für den sympathischen Künstler gibt es viel Beifall, ohne Zugaben darf er die Bühne nicht verlassen. Mit einem Medley, zusammengestellt aus Motiven des Fleetwood-Mac-Klassiker „Oh well“ und „Come Together“ von den Beatles verabschiedet er sich mit fetzig-rockigen Tönen von seinen begeisterten Gästen.

 

 

Text: Katharina Stockhammer - Fotos: Michael Mandl und K. Stockhammer