Alfred Dorfer und seine Combo boten einmal mehr Kabarett vom Feinsten. Für das Reichenhaller Tagblatt berichtete Barbara Titze über dieses Kleinkunstereignis der Sonderklasse (Ausgabe vom 16.11.2012). Die Fotos hat Micky Scheurl geschossen.

Feingefühl bei Männern ist ein Hobby der Evolution

Alfred Dorfers Therapiestunde im Magazin 4 - Unterhaltung auf hohem Niveau

BAD REICHENHALL - Die Stimmung im ausverkauften Magazin 4 ist angeregt erwartungsvoll. Man kennt den Kabarettisten, der da heute kommt, Alfred Dorfer war schon hier und ist auch sonst kein Unbekannter. Sein aktuelles Programm heißt „bisjetzt“ und enthält ebenso viele Rück- wie Ausblicke.

Seit 1993 steht der 51-jährige Wiener auf der Bühne, er hat seine Doktorarbeit zu dem griffigen Thema „ Satire in restriktiven Systemen Europas im 20. Jahrhundert“ geschrieben, für seinen Film „Indien“, den er zusammen mit Josef Hader verfasst hat, den Österreichischen Kleinkunstpreis bekommen und überhaupt schon einiges an Preisen eingeheimst. „Es wird ums Denken gehen, trotzdem auch um Politik“, kündigt er zu Beginn des Abends an.

Und er denkt nicht nur, er spricht auch das Ergebnis seiner Anstrengungen unumwunden aus. „Nicht, dass die Leute sagen, g´sagt hätts ghört“, da will er es lieber mal deutlich gesagt haben. „Pubertät“, das weiß er, „ist eine Phase, die die meisten Männer niemals überwinden. Und Brunft ist keine Intelligenzfrage, sonst wären wir längst ausgestorben.“ Beifall von den anwesenden Damen, was ihm wiederum ein Stirnrunzeln entlockt. „So weit sind wir gekommen, dass Frauen in Bayern selbstständig applaudieren!“

Dorfer erinnert sich an seine Jugend, an die 68-er, die es in Österreich eigentlich nicht wirklich gab, an die SPD 1970. „Weiß man hier, um was es geht, oder muss man diese Untergrundbewegung in Bayern erklären?“ Er erzählt von seinem ersten Rausch nach reichlich genossenem Erdbeerwein und der der draus resultierenden descarte´schen Erkenntnis „Ich denke, also bin ich. Warum lebt dann mein Nachbar noch?“

Schön auch die österreichische Dialektik: „Jo, na, na jo! These, Antithese, Prothese.“ Beim Vergleich der Schulerfolge Deutscher und Österreicher vermutet er, dass manche Pisa-Ergebnisse daher kommen, dass „die Deutschen zur Schule gehen, die Österreicher in die Schule. Vielleicht macht es den Unterschied, dass wir auch hineingehen!“ Nach der Schule kam für ihn die Frage, Studium oder Bundesheer. „Das österreichische Bundesheer ist eine der gefürchtetsten Armeen – im Inland. Jedes Manöver ist heikel für die Bevölkerung.“ Aber auch das Studium hatte seine Tücken. Hinter der „Immatrikulation“ argwöhnte er „irgendetwas Unanständiges mit der Mutter“, und es dauerte etwas, bis er erkannte, dass sich hinter einem „Seminar“ kein Halbverrückter verbarg. Dann wurde sein Sohn geboren, das Paradies („Es war deshalb ein Paradies, weil noch keine Verwandtenbesuche möglich waren, aber Adam benahm sich wie der erste Mensch!“) wurde verlassen, man wollte, dass aus dem Sohn „etwas wurde. Etwas wird aus jedem. Und es stellt sich auch die Frage: Wenn etwas nichts ist und sich weiterentwickelt, was entwickelt sich denn dann?“

Dorfer selber wurde anscheinend im Campingurlaub gezeugt, „sozusagen durch Zeltteilung. Die Stimmung in so einem Zelt hat ja auch was von einer Legebatterie“. Das hatte aber keinen Einfluss auf die Fragen nach Religion (z.b. die Zeugen Jehovas, die kommen immer zu weit, einer ist der Zeuge, und der andere…“) und Esoterik. „Da trommeln die für die 3. Welt. Ja, seither geht´s der 3. Welt auch spürbar besser.“ Nach zwei bis drei Stunden Trommeln soll man ein anderer Mensch sein, wurde ihm gesagt. „Ich hab´s probiert, ich bin kein anderer Mensch geworden, aber ich habe jetzt einen anderen Wohnort.“

"Das Auge liegt im Kopf des Betrachters"

Dorfer outet sich als leidenschaftlicher Shopper. „Konsum ist der Sex des Alters.“ Und die Midlifecrisis erklärt er so: „Da war wos gwesn, des hab i jetzt versäumt – und bald ist´s aus.“ Zwischendurch gibt er den Zuhörern schon mal eine Denkaufgabe mit: „Wann hat der Schwachsinn begonnen, dass man trennt, was man nur unterscheiden kann?“ Oder „Der Weg ist das Ziel. Ist dann das Ziel weg? Bin ich schon besoffen, nur weil ich durstig bin?“

Die Perspektive ist für ihn sinnigerweise „eine Frage des Blickwinkels. Das Auge liegt im Kopf des Betrachters.“ Da kann ihm keiner wiedersprechen. Der Unterschied zwischen Kunst und Psychotherapie liegt für ihn darin, dass „Sie von Ihren Problemen erzählen und dafür zahlen. Ich erzähle Ihnen von meinen Problemen und Sie zahlen.“  

Mit Dorfer auf der Bühne sind wie immer die bewährten und großartigenMusiker Peter Hermann, Günther Paal und Lothar Scherpe. Da gibt es Tango mit Hardrock-Klängen und andere Feinheiten zu hören. Jazz lassen sie lieber weg, denn „Jazz ist ja relativ intellektuell, aber heute kommen hauptsächlich Lehrer.“  Dorfer ist nicht nur Kabarettist, sondern ein studierter und wirklich begabter Schauspieler, der zudem noch über eine gute Singstimme verfügt. Ob er in seiner eckigen Art tanzt, singt oder spricht, seine Mimik und Gestik sind genial. Köstlich, wie er einen alternden Gecken spielt, der nochmal einen Aufriss haben möchte. Aufriss: „ Das Wort stammt ja ethymologisch aus der Baubranche, man reißt etwas auf, um das Rohr verlegen zu können.“ Ein derber Vergleich, aber „Sensibilität und Feinfühligkeit bei Männern sind ja nur Hobbys der Evolution.“

Wortreich geschildert, wie gar nichts passiert

Bevor man auseinandergeht („Und ich spreche hier nicht von Figurproblemen), bedankt Dorfer sich bei „der Anstaltsleitung“ und gibt als Zugabe das Stück „Die Zeit vergeht“, in der er es wunderbar versteht, wortreich zu schildern, wie rein gar nichts passiert. Dorfer ist ein wunderbarer, fröhlicher und frecher Kabarettist mit Wortwitz und Unterhaltung auf hohem Niveau.

Wie die Süddeutsche Zeitung schon schrieb: „Er ist der vielfältigst Begabteste unter seinen deutschsprachigen Kollegen.“