Mit ihrem Programm "Licensed To Swing" gastierte das weltberühmte Pasadena Roof Orchestra im Theatersaal des Reichenhaller Kurgastzentrums. Im Reichenhaller Tagblatt vom 29. Februar 2012 berichtete Katharina Stockhammer über dieses wunderbare Konzert.

 

Evergreens für die Ewigkeit und pure Nostalgie

Das „Pasadena Roof Orchestra“ begeistert im Theater im Kurgastzentrum sein Publikum

BAD REICHENHALL – Es fördert durchaus die Vorfreude, wenn man am Vorabend eines Konzertbesuchs das gerade auf dem Nachttisch liegende Buch zur Hand nimmt und folgende Zeilen liest: „Als es dunkel wurde, zündete man im Garten Lampions und Fackeln an. Das „Pasadena Roof Orchestra“ spielte English Waltz und Foxtrott, und die Paare tanzten auf der großen Terrasse.“ Der Schweizer Kultautor Martin Suter hat in seinem Roman „Small World“ die britische Big Band mit einem Auftritt bei einer Industriellen-Hochzeit verewigt. Weil man hierzulande eher selten zu Eheschließungen in der eidgenössischen Hochfinanz eingeladen wird, bietet sich im Theatersaal des Kurgastzentrums die seltene Gelegenheit, das legendäre Pasadena Roof Orchestra „live“ vor Ort zu sehen.

Doch erstaunlicherweise ist der Saal bei weitem nicht ausverkauft. Man muss nämlich nicht unbedingt Suter gelesen haben, um den exzellenten Ruf der Engländer zu kennen. Ein bisschen trübt es die Stimmung schon, dass viele Plätze unbesetzt sind. Aber die musikalischen Vollprofis auf der Bühne schenken den Lücken in den Sitzreihen offensichtlich keinerlei Beachtung und beginnen ihr Programm „Licensed To Swing“ schwungvoll. Sozusagen mit der amtlichen Genehmigung, zu swingen. Seit über vierzig Jahren bringt die stets mit elf Musikern besetzte Formation Nostalgie aus den 1920er und 30er Jahren in die Konzerthallen rund um den Globus.

Und schnell gelingt es den Künstlern auch in Bad Reichenhall, ihre Gäste mitzureißen.

„There’s A Wah Wah Gal In Agua Caliente“, im Original vom amerikanischen Jazz-Trompeter und Komponisten Jack Purvis, ist richtig flott. Danach wird es „geschmeidig“. „When You’ve Got A Little Springtime In Your Heart“ wurde 1934 durch den südafrikanischen Jazzsänger Al Bowlly berühmt und der humorvolle Bandleader, Sänger und Conférencier Duncan Galloway kann seinen jungenhaften Charme versprühen. Die großen Evergreens folgen Schlag auf Schlag. Ob Irving Berlins „Puttin' On The Ritz“ oder Walter Donaldsons „My Blue Heaven“, das nahtlos übergeht in „Singin’ In The Rain“– ein Welthit nach dem anderen begeistert die Zuhörer. Reihum können sich alle Musiker in Szene setzen. Zu vorderst natürlich die Bläser: David Ford und Mally Baxter mit ihren Trompeten, die sie wahlweise mit und ohne Dämpfer spielen, Adrian Fry an der Posaune sowie die drei Saxophonisten Robert Fowler, Mick Foster und James „Jimmy“ Hastings; dazu – stets im Hintergrund, dennoch nicht weniger auffällig – David Berry am Sousaphon, der eindrucksvollen Riesen-Tuba. Zwischen den Stücken wird’s lustig, weil sich die Herren selbst nicht ganz so ernst nehmen. Witzig sind sie, und trotzdem nicht albern, das kommt beim Publikum gut an. Bei „Bel Ami“ wird leise mitgesummt. Sanft beginnt „Just A Gigolo“. Jetzt kann Gitarrist Graham Roberts glänzen, David Berry legt das Sousa weg und schnappt sich den Kontrabass, dazu singt Duncan Galloway zeitweise auf deutsch. Pianist Simon Townley ist der Spaßvogel der Truppe. Gemeinsam mit Adrian Fry unterstützt er bei vielen Liedern Sunnyboy Duncan gesanglich. Slapstick-Einlagen auf dem Weg vom Flügel zum Mikrophon kann er sich dabei – zur Erheiterung der Gäste – nicht verkneifen. Die Zeit bis zur (Tee)-Pause vergeht wie im Flug.

Zum zweiten Teil des Abends erscheinen die feschen Männer in eleganten weißen Dinnerjackets. Entertainer Galloway ist vollständig in Weiß gekleidet: er trägt einen schicken Frack, einziger Farbtupfer ist eine rote Nelke. Ein echter Hingucker! Bei „Where The Blue Of The Night Meets The Gold Of The Day“ von Bing Crosby singt er nicht nur höchst gefühlvoll, er pfeift die Melodie auch äußerst gekonnt. „No String“ widmet er anschließend augenzwinkernd seinem Internet-Provider. Bei „Air Brakes“ zieht Graham Roberts alle Register am Banjo, während der Rest der Combo die Zeit nutzt, sich betont entspannt von der vorherigen Anstrengung auszuruhen. Doch Roberts lässt sich vom Desinteresse seiner lieben Kollegen nicht beeindrucken und entlockt seinem Instrument erstaunliche Töne. Bei „Yes! We Have No Bananas“ sind wieder alle mit dabei. Dieser Titel stammt aus den frühen 1920er Jahren, als sich die Weltwirtschaftskrise bereits anbahnte und Mr. Galloway kann sich einen Seitenhieb auf die aktuelle wirtschaftliche Situation nicht verkneifen. Nicht die angespannte Weltwirtschaft vertreibt nach dem Bananen-Song die Musiker von der Bühne. Es ist das Schlagzeugsolo von John Watson. Sie nutzen seinen Auftritt mit „Golden Wedding“ zu einer Verschnaufpause.

Nun gehört allein Watson das Podium und er hat die Gelegenheit zu zeigen, wie viel Rhythmusgefühl und technisches Können in ihm steckt. Famos. Als das Orchester wieder vollständig versammelt ist, kommt bei „Goodnight Sweetheart Goodnight“ Romantik auf. Eine wunderschön melancholische Nummer, passend zum bevorstehenden Abschied. Damit sich aber keine Traurigkeit ausbreitet, präsentiert das Pasadena Roof Orchestra den schneidigen „Tiger Rag“, einen Dixie aus dem Jahr 1917. „Wir sagen nicht Good Bye, sondern Auf Wiedersehen“, verkündet der charismatische Bandleader. Der tosende Applaus der begeisterten Zuhörer gibt ihm Recht. Mit dem schmissigen Quickstep „Side By Side“ und dem herrlichen „Home In Pasadena“, das einst der Big Band den Namen gab, klingt ein umjubelter, beschwingter Konzertabend aus.

 

Fotos: K. Stockhammer