Für Musikliebhaber, deren Geschmack sich ein wenig unterscheidet vom Mainstream der Radiosender, war das Konzert von Mo' Blow aus Berlin ein absolutes Muss und ein echtes Highlight auf unserer kleinen Bühne. Katharina Stockhammer berichtete im Reichenhaller Tagblatt vom 26.10.2012 über dieses Konzert der Extraklasse (Fotos: Micky Scheurl)

Stehende Ovationen für Sound aus der Hauptstadt

Mo' Blow aus Berlin präsentiert genialen Jazz-Funk im Magazin 4

BAD REICHENHALL - Es sei nicht gerade die pure Experimentierfreude, die das Reichenhaller Publikum auszeichnet, weiß Maxx Pastötter vom Magazin 4-Team zu berichten. Wie so oft, ist er auch an diesem Abend für die Bühnenbeleuchtung zuständig und erklärt, dass es nicht immer einfach sei, etwas Neues, Unbekanntes in der Alten Saline zu präsentieren. Beim Konzert der Berliner Jazz-Funk-Band „Mo' Blow“, die wegen hohen Verkehrsaufkommens satte zehn Stunden zur Anreise ins Magazin 4 benötigte, hätte die Anzahl der Zuhörer ebenfalls höher sein können. So war der Barraum nicht ausverkauft, doch das tat weder der Spielfreude der Musiker noch dem Vergnügen der Gäste einen Abbruch. Diejenigen, die sich den Auftritt nicht entgehen ließen, werden auf jeden Fall gerne an dieses musikalische „Ereignis“ zurückdenken.

Schon gleich zu Beginn legten die jungen Herren, die sich als Vertreter des innovativen „Young German Jazz“ verstehen, mit „Wendland“ groovig los. Geschrieben wurde das Stück nach einem Clubkonzert in eben diesem niedersächsischen Landstrich, als sich das Quartett spontan dazu entschloss, eine ganze Woche dort zu verweilen und die Eindrücke der rebellischen Region, die bundesweit vor allem durch die Proteste gegen das Atommülllager Gorleben bekannt wurde, inspirierend auf sich wirken zu lassen. Es entstanden zahlreiche Stücke, manchmal vorerst nur als Fragmente, die später im Studio zu einem stimmigen Ganzen wurden, manchmal als kompletter Titel.

Da ihre aktuelle CD gerade produziert wird, war das Gastspiel in der Salinenstadt für die Jungs zudem eine schöne Gelegenheit, um die Wirkung dieser neuen Kompositionen zu testen. Das ein oder andere Werk hat derzeit noch nicht mal einen Namen. Nicht so „Papa's Pancake“. Der Song wurde so getauft, weil Bassist Tobias Fleischer während dessen Entstehen schmackhafte Pfannkuchen für seine Kollegen fabrizierte. Das Stück war ein wunderbarer Beleg dafür, wie feinfühlig die vier Künstler aufeinander eingestimmt sind. Bandgründer Felix F. Falk, der eine ganze Reihe von Saxofonen mit im Gepäck hatte, griff zum schmeichelnden Sopransaxofon und zu verschiedensten Percussions-Instrumenten, drängte sich jedoch nie in den Vordergrund und ließ seinen drei kongenialen Partnern viel Raum zur Entfaltung. André Seidel am Schlagzeug konnte so von Anfang an seine Klasse ausspielen. Mit den Jazzbesen gefühlvoll über die Snare-Drum streichend, war er, aber auch der coole Tobias Fleischer am Bass, stets mehr als nur die Rhythmusbasis der Gruppe. Lässig agierte dazu Matti Klein an seinem Fender-Rhodes-Piano. Dieses Instrument brachte die Augen einiger musikalischer Gäste zum Leuchten, hat es doch bereits knappe 40 Jahre auf dem Buckel. Es stammt aus einer „elektromechanischen“ Ära, als es noch keine elektronisch gesteuerten Tasteninstrumente gab. Klein nutzte die technischen Möglichkeiten seines Pianos voll aus und bekam immer wieder kräftigen Zwischenapplaus für seine teilweise recht wilden Soli.

Beim „Rocket Swing“ durften die Zuhörer zum Takt des Saxofon-Solos von Felix F. Falk mitklatschen. Nicht bei jeder Komposition wäre dies möglich gewesen, denn die raffinierten Rhythmuswechsel sind eines der auffälligsten Markenzeichen der Berliner.

Zwischen den einzelnen Titeln verriet Falk manch interessantes Detail zu Song oder Band, die bis dato nicht im äußersten Süden der Republik aufgetreten war: „Wir sind bisher nur bis München gekommen!“, verriet der Bandleader. In den Osten ging es allerdings schon öfter und so erzählt „Ambassador's Bounce“ von einem Konzert in Russland, als Mo' Blow auf Einladung des deutschen Botschafters dort gastierte. Nach dem reichlichen Genuss von Wodka tanzte und sang der ehrwürdige Diplomat beim anschließenden musikalischen Ausklang in einem Jazzclub völlig enthemmt zusammen mit der Band auf der Bühne und wurde deswegen von den kreativen Musikern in eben diesem Werk verewigt.

Richtig funkig wurde es bei „Fried Chocolate“. Das Stück stammt vom letzten Album „For those about to Funk“, das von niemand geringerem als dem schwedischen Ausnahme-Jazzer Nils Landgren produziert wurde. Es spricht für das herausragende Talent der jungen Bandmitglieder, dass ein derart renommierter Künstler wie Landgren bei der Plattenaufnahme sogar selbst zur Posaune gegriffen hat, um sie zu begleiten.

Nach der Pause gab es neuerlich eine jazzige „no name“ - Nummer, die herrlich melodisch und ruhig daherkam und eine wunderschöne Einstimmung auf ein furioses Finale war. „Traci“, ein geschmeidiger Titel vom bereits erwähnten Mentor Landgren war der einzige des Abends, der nicht aus der eigenen Feder der Berliner stammt. Und auch in der Mo' Blow – Version klang er fantastisch. Bei einem weiteren Stück ohne Namen blies in spannenden Klangexperimenten am Piano und den Percussions quasi der Wind durch die Alte Saline.

Fetzig und treibend kam schließlich „Call me Milroy“ daher, eine absolut lässige Nummer, derer eingängiger Sound durchaus „tanzbar“ war. Matti Klein nutzte dabei sein Piano wie eine Trommel und riss die Zuhörer mit seinem energiegeladenen Einsatz mit. „Headbutt“, der letzte Song des Abends, bestach wiederum durch ein perfektes, polyrhythmisches Timing.

Ein hellauf begeistertes Publikum zollte dem außerordentlich ideenreichen Quartett kräftigen und lang anhaltenden Beifall, wofür sich die Band mit zwei Zugaben bedankte. Bei „Mac Tough“ gab es stehende Ovationen für eine Band, die mit ihrem frischen Sound internationales Flair in eine kleine Kurstadt brachte.