Gustav Starzmann schrieb im Reichenhaller Tagblatt (vom 05.10.2012) folgenden Bericht:

„Bluadiga Gams“ mit Musik

Sepp Wittmann las aus seinem neuen Gedichtband - Fraunhofer Saitenmusik mit von der Partie

BAD REICHENHALL - Es gibt sie eben doch noch, den bodenständigen und intellektuellen bayrischen Schriftsteller und die volksmusikalische und anspruchsvolle Instrumentalgruppe. Beide traten auf im Magazin 4 in Bad Reichenhall.

 

Unter dem Titel „Bluadiga Gams“ trug der Schriftsteller und Lyriker Sepp Wittmann aus Tittmoning Gedichte über Landschaften, Porträts, Erotisches und allgemeine Beobachtungen vor. Das Trio  Richard Kurländer, Heidi und Gerhard Zink von der berühmten Münchner Fraunhofer Saitenmusik sorgten für ausgewogene, passende Musikbegleitung.

Nicht die herkömmliche, oftmals mit all zu streng genommenen Vorschriften belegte Volksmusik wurde gespielt, sondern Faszinierendes aus Bayern und vielen Ländern Europas, wie zum Beispiel eine „musikalische Reise“ mit Tänzen vom Montafon bis Norwegen, kombiniert mit  einer Komposition von Carl Orff. Die Virtuosität und die „Seele“ der Spielweise der „Fraunhofer“ waren es, die das Publikum veranlassten, sich für jedes einzelne Stück mit kräftigem Applaus zu bedanken.

Es war aber auch an der Zeit, dass die Veranstaltungsreihe „Boarisch gschriem – boarisch gredt“ im Magazin 4 nach der Vorstellung der verstorbenen bayerischen Literaten Ludwig Thoma, Oskar Maria Graf, Emerenz Meier und Georg Queri endlich einen lebenden Dichter bringt, und zwar einen aus der näheren Umgebung.

Sepp Wittmann aus Tittmoning ist Zeitgenosse, 1950 in München geboren, hat  die Ruinen des II. Weltkriegs noch mitgekriegt, ist in der gewalttätigen Enge der 50er Jahre aufgewachsen, hat das intellektuelle und politische Beben der späten 60er Jahre als Schüler erlebt, hat Industriekaufmann gelernt und hat noch als Lehrling seinen ersten Gedichtband fertiggestellt. „Kuacha & Kafä“, 1972 beim legendären Friedl Brehm verlegt, war auf seine Weise erfolgreich:  Kurz und bündig schrieb ein Rezensent  „dem Volk genial aufs Maul geschaut und mit phonetischer Delikatesse in Versform gebracht“. Eine Beschreibung, die auch für den Vortrag Wittmanns in Bad Reichenhall zutrifft.

Dieser Erstling seiner Bücher öffnete ihm die Tür zum Rundfunk und zur Kleinkunst-Szene, aber der Erfolg machte ihn skeptisch. Auch im Magazin 4 hat er wieder bewiesen, dass er mit trachtlerischem Bayerntum gar nichts und mit dem Kabarett nicht viel gemeinsam hat; falsche Entwicklungen der Gesellschaft nur zu verlachen ist ihm zu wenig. In den 80er Jahren reiste er als Kulturbeitrag der Bürgerinitiativen zu Demos und Kundgebungen, bis ein Kritiker (Michael Scheiner in der Landauer Zeitung) unter der Überschrift „Worte wie geschliffene Sägezähne“ feststellt, er führe „die Politik mit den gleichen Mitteln in der Literatur fort“. Auch das konnte man an diesem Abend wieder erleben z.B. in den „ein Dutzend Märchen“ genannten Gedichten, die oberflächlich betrachtet viel vom „Kini“ redeten, es aber ganz deutlich politisch meinten mit deutlichem Bezug zu allgemeinen Entwicklungen, die auch in der heutigen Politik leider eine unrühmliche Rolle spielen.

Von 1987 (Umasunst is nix) bis 2010 (Bluadiga Gams) erschien kein Buch von Wittmann. In der Zeit schriebt und inszenierte er Theaterstücke und erarbeitet sich einen Zugang zur Lyrik. Nicht mehr nur in der Mundart, immer öfter in einem Schriftdeutsch, das die bairische Herkunft ebenso deutlich macht wie der angestammte Dialekt.

In beiden Sprachen findet seine Lyrik zunehmend Beachtung, auch seine 2011 erschienene Übersetzung von Gedichten des Amerikaners Walter Bargen, „Liebenswerte Ruinen“, wird wegen der reichen sprachlichen Ausdrucksmittel gelobt. Der kritische Blick ist ihm dabei nie abhanden gekommen. Immer noch bringt er das, was ihn stört, deutlich und eindringlich zur Sprache, engagiert und ehrlich betroffen, und immer noch kann er das auf eine urbairisch witzige Weise. Die viel zitierte „Lust am Derblecken“ verfeinert er zum literarischen Anliegen, das macht ihn unverwechselbar als lyrischen Satiriker – oder als satirischen Lyriker.

In seinen „Bluadiga Gams“-Gedichten kam das am deutlichsten in den erotischen „Stübegschichten“ und in einem Dutzend allgemeiner Beobachtungen über die Menschen zum Vorschein. Das Bairische seiner Sprache kann es durchaus mit dem Östrreichisch von H.C. Artmann aufnehmen – insbesondere wenn es so lebendig vorgetragen wird, wie es dem Autor selber gelang. Zwischenapplaus – bei Lyrik-Vorträgen nicht die Regel – dankte es ihm oft. Wittmann bedankte sich auf seine Weise durch den Vortrag aus bisher unveröffentlichten Texten.

Mit der Fraunhofer Saitenmusik gab es früher häufige Auftritte von Josef Wittmann und deshalb haben die drei an Harfe, Hackbrett, Kontrabass und Gitarre auch gleich zugesagt, wieder einmal, was selten geworden ist, mit Sepp Wittmann aufzutreten.