Im Reichenhaller Tagblatt vom 9. Mai 2012 berichtete Katharina Stockhammer über einen neuerlichen Leckerbissen für alle Gitarrenfans:

 

Akustische Gitarrenmusik ohne technischen Firlefanz

Jacques Stotzem überzeugt im Magazin 4

mit spielerischer Raffinesse und Virtuosität

BAD REICHENHALL – Für Liebhaber der akustischen Gitarrenkunst ist das Magazin 4 seit einem Jahr ein Geheimtipp. Entstanden aus den erstklassigen Verbindungen des Akustik-Gitarrenforums Hallein in diese Musikszene, treten die Besten des Genres nun auch in der Salinenstadt auf. Diesmal zu Gast: der belgische Ausnahmegitarrist Jacques Stotzem.

Für das Reichenhaller Publikum ist es erfreulich, dass sich der Musiker auf Deutsch sehr gut verständlich und von Anfang an beinahe familiär unterhalten kann.

Der unaufgeregt spielende Künstler beginnt mit seiner flotten Komposition „Twenty One“. Ihm eilt ein ausgezeichneter Ruf voraus. Die eingangs beschriebene, überwiegend aus Kennern und Fans der akustischen Gitarrenmusik bestehende Zuhörerschaft ist daher von seiner technischen Brillanz nicht überrascht. Wer ihn allerdings bisher nicht kannte, ist verblüfft. Sein Spiel hat Stotzem längst perfektioniert.

Obwohl seine Hände gelegentlich fast bewegungslos auf dem Instrument verharren, vollbringen seine Finger unglaubliches. Meisterlich und scheinbar mühelos entlockt er der Gitarre Melodien und Rhythmen, kreiert dabei einen unverwechselbaren Stil.

 

 

Seit er mit 16 Jahren das Gitarrespiel autodidaktisch erlernt hat, spielt er überwiegend akustisch. Doch er verkündet „Meine Liebe gilt seit jeher der Rockmusik“ und er bewundert Jimi Hendrix. Folglich hat er vor ein paar Jahren ein Album mit Rock-Klassikern aufgenommen. „Catch the Spirit“ wurde es getauft. Einige Stücke, die er für diesen Abend ausgewählt hat, stammen von dieser CD. „With or without you“ von U2 ist das erste davon.

Mit der ganz individuellen Note des Fingerstylers klingt diese weltberühmte Nummer wunderschön gefühlvoll. Witzig erzählt Stotzem als Einleitung zu „Sur Vesdre“ von seiner Heimatstadt: „Verviers ist total unbekannt, weil es da gar nichts besonderes gibt“. Indes, die romantische Komposition über den Fluss, den Ort durchfließt, ist zart und in Wahrheit eine echte Liebeserklärung. Dass ihn seine Mitbürger ebenfalls lieben und schätzen, haben sie kürzlich mit der Verleihung der Ehrenbürgerwürde bekräftigt. Kulturübergreifend hat er in „Oasis“ nordafrikanische, arabisch anmutende Einflüsse übernommen. Sein Instrument hört sich jetzt an wie eine Oud, die Kurzhalslaute der Mauren. Zudem hat er rhythmische Percussionselemente eingearbeitet – willkommen in Marrakesch.

Hautnah ist der Kontakt zu den Zuhörern, Jacques ist alles andere als ein exaltierter Bühnenstar. Ungezwungen plaudert er mit seinem Publikum und erzählt die Geschichte von einem Gast, der in der ersten Reihe saß, mit mürrischem Gesicht, weil ihm die Musik missfiel. Das Angebot, die Eintrittskarte zurückzugeben, schlug er aus. Grimmig dreinschauend blieb er bis zum Schluss – um sich dann tatsächlich eine Stotzem-CD zu kaufen. „Typisch Belgier“, so das augenzwinkernde Resümee des Künstlers. Der Blick in die Gesichter der Reichenhaller dürfte ihn ebenfalls nicht geschreckt haben, denn seine Stücke ernten allesamt starken Beifall. So auch „Picking in Paris“, einer Hommage an sein Vorbild, den französischen Musiker Marcel Dadi. Sehr leichtfüßig, sehr schwungvoll, mit einem Hauch von Django Reinhardts Jazzgitarre, kommt dieser Titel daher.

Nach einer kurzen Pause geht es mit seinen Werken „Time to Leave“ und Through my Window“ und einem Klassiker weiter: „Moonchild“ von Rory Gallagher. „Keiner hat auf der Bühne so viel Energie gegeben wie Rory“, meint Stotzem. Und selten war einer lauter, wissen die, die ihn 1993 beim Sternenzelt-Festival gesehen haben, möchte man hinzufügen.

Diese „Gallagher-Power“ setzt Stotzem mit viel Ausdruck und „Action“ gekonnt um. Erstaunlich, wie sich mit einer „einfachen“ Konzertgitarre ohne technische Verstärkung derart viel Groove erzeugen lässt. Sanfter wird es anschließend mit einer Rockballade von Neil Young. „After the Goldrush“ stammt noch aus einer Zeit, in der der kanadische Star stark von der Country-Musik geprägt war. Bei Stotzem braucht dieses Stück keinen Text. Schon zu Beginn seines Konzerts hat er seinen Gästen versprochen, nicht zu singen, weil er es nach eigener Einschätzung nicht kann. Diesen Part hätte deshalb seine junge Kollegin Géraldine Jonet übernehmen sollen. Weil aber der Auftritt der Sängerin kurzfristig geplatzt ist, wird an diesem Abend gar nicht gesungen. Ein kleiner Wermutstropfen, doch Jacques Stotzem kann dies durch seine virtuose, äußerst engagierte Darbietung locker wettmachen. Bei Hendrix’ „Purple Haze“ dreht der sonst so Zurückhaltende richtig auf. „Eigentlich spielt das niemand akustisch, aber ich spiele sowieso nur, wozu ich Lust habe“, bekennt er und fasziniert ein weiteres Mal seine Zuhörer mit seiner Raffinesse. „Come Together“ von den Beatles lässt dann auch das Publikum nicht mehr ruhig sitzen, es klatscht im Takt mit. Mit einem Medley aus „All of you“ und „Sweet Georgia Brown“, zwei absoluten Jazz-Standards, geht ein begeisterndes Konzert dem Ende zu. Die Zugaben sind außergewöhnlich. Bei „Jungle“ – unter Einsatz von Fingerpics als Lehrbeispiel für „Pick Scratch“ geeignet – wird’s nochmals heftig für die Stotzem’schen Fingerkuppen. Danach bringt „Danny Boy“, eine irische Ballade, den glühenden Fingern des Künstlers Entspannung und seinen Ohren einen kräftigen Schlussapplaus.