Zum dritten Mal begrüßten wir Sigi Zimmerschied aus Passau auf der Bühne des Magazin 4. Wieder einmal lieferte er Kabarett der Extraklasse ab, wie immer nicht ganz leichte Kost, für seine Fans dennoch ein absolutes Highlight.

 

Katharina Stockhammer's Artikel aus dem Reichenhaller Tagblatt vom 2.11.2011 können Sie hier nachlesen:

 

Schräge und unerhörte Geschichten subtil erzählt

 

Sigi Zimmerschieds wortgewaltige Satire erhält im Magazin 4 viel Applaus - Lachdichte steigt stetig

 

BAD REICHENHALL – Auf den Kleinkunstbühnen des Landes steht der Passauer Kabarettist Sigi Zimmerschied bereits seit über 35 Jahren. In dieser langen Zeitspanne hat er sich Erstaunliches ausgedacht, das meiste davon in seinen Soloprogrammen verarbeitet, manches fürs Kino produziert. Und doch verschwand vieles ungelesen in Schubladen – bei Buchverlagen, mehr noch bei Fernsehredakteuren. Warum seine Manuskripte abgelehnt wurden, mag unterschiedliche Gründe haben. Entschuldigungsphrasen aus dem Munde der Medien-Verantwortlichen hat er immer wieder gehört und alle endeten mit einem „interessant, aber mir sind hier leider die Hände gebunden“, verbunden mit einem Fingerzeig nach oben zum Chef, ein Stockwerk höher.

 

 

 

So ist genügend Stoff für ein Programm über abgelehnte Konzepte, über unerhörte Texte vorhanden, das Sigi Zimmerschied „Lachdichter“ getauft hat. Es ist kein klassisches Kabarettprojekt, nennt sich „kabarettistische Lesung“ und bietet dem Urgestein der bayerischen Kulturszene eine Plattform, in beeindruckender Weise und unter vollem Einsatz von Mimik und Gestik auszudrücken, was viele Jahre in seinem Inneren nagte.

Nur einen gut ausgeleuchteten Lesetisch braucht Zimmerschied für seine Darbietung. Mit bis zur Unverständlichkeit verzerrten bairischen Wortfetzen beginnt er. Einen „typischen“ Dialog zwischen zwei Urbayern soll dies darstellen, wobei man „Wolpertinger“ noch am ehesten versteht: ein gekonnt überzeichnetes Gespräch a la „Dahoam is dahoam“, eine Bayern-Soap fürs gemeine Fernsehvolk mit offensichtlich ausreichender „Lachdichte“. Denn, so erklärt der Künstler, die „Lachdichte“ sei der Gradmesser für die Fernsehtauglichkeit. Nur wenn der Quotient aus Lachern pro Minute hoch ist, weil der Pointe auch ein messbarer Lacher folgt, ist die Idee tv-kompatibel. Vier Exposés mit eben nicht genügend medien-gerechter Lachdichte finden auf diesem Wege trotzdem die Öffentlichkeit in Form eines interessierten Kleinkunst-Publikums.

Ein kritischer Tierfilm und nichts vom Papst wäre besser, meint ein BR-Redakteur zu Konzept Nummer eins. Es ist die Geschichte vom weihrauchsüchtigen Ministranten Matthias, der durch übermäßigen Konsum der Sorte „Pontifiskal“ zum Monster mutiert und bei dem radikale Gegenmaßnahmen wie „Hostienheilfasten“ längst nichts mehr nützen. Als „Mistrantula“ nebelt er, auf einer Kirchturmspitze sitzend, mit riesigen Weihrauchschwenkern Passau ein, bis er abgeschossen wird… Wegen zu viel Antiklerikalismus wurde das Vorhaben nicht umgesetzt. Nach 30 Jahren erfahren die Zuhörer von dieser skurrilen Filmidee und können sie sich dank Zimmerschieds engagiertem Körpereinsatz durchaus auf der Leinwand vorstellen.

Wortgewaltig auch die zweite Szene, der Kriminalbeamte Stefan Zitzelsberger ist ihr Held. Beamtensatire war schon immer ein Lieblingsthema des Passauers, weil „nicht der Tod, sondern der Beamte die Korrektur der Schöpfung am freien Willen ist“. Zitzelsberger als Ikone der Mittelmäßigkeit spricht hochdeutsch und will die Erfülltheit „Derricks“ erreichen, was aber gründlich misslingt. Anfang der 1980er Jahre verschwand Zimmerschieds Entwurf in einer Redakteurs-Schublade, da „die Stütze des Staats nicht verunsichert werden dürfe“. Wieder zeigt der Finger nach oben, indes die Lachdichte im Magazin 4 stetig zunimmt.

Eine abgedrehte Geschichte über die Brüder Hans, Wastl und Rudi aus dem Bayerischen Wald hätte eigentlich das Zeug zum „Roadmovie“ gehabt. Schnelle Szenenwechsel von Niederbayern ins oberbayerische Garmisch, wo Rudi als Fliesenleger arbeitet und nachts in der Disco die Mädels „angräbt“, machen die Story rasant. Doch die schräge Erzählung endet mit Poesie und Stille und dies war in den 1990er Jahren nicht „angesagt“, kam damals die bereits erwähnte Lachdichte stark in Mode. „Man kann Mario Barth nichts vorwerfen“, meint Zimmerschied tolerant, denn „wer mit Hella von Sinnen und Hugo Egon Balder aufwächst hatte eine harte Kindheit“.

Die letzte Szene legt der Satiriker auf verschiedenen Erzähl-Ebenen an. Therapeut Dr. Martin Buse holt Herrn Zimmerschied aus der Psychiatrie und zeigt ihm auf, wie ihn seine grandiosen Schauspielleistungen früherer Zeiten erneut zu Ruhm verhelfen könnten. Nun folgen rückblickende Auftritte als Redner bei einer Jagdversammlung oder als bairisch sprechender Imam im Wortwechsel mit seinem österreichischen Kollegen Josef Hader, der wiederum einen Nazi verkörpert. Dazwischen ein Schwenk zurück in Sigi’s am Friedhof geparkten Wohnwagen, der angefüllt ist mit Kabarettpreisen…

Es ist wahrlich keine einfache Kost, die dieser Künstler seinem Publikum „zumutet“. Die zumeist Zimmerschied-erprobten Zuhörer lauschen gebannt seinen subtilen Ausführungen voller Sprachwitz, die niemals massentauglich waren. Auch in Zeiten der „Comedysierung“ des Fernsehens biedert sich Zimmerschied nicht an, bleibt seiner eigenwilligen Linie treu. Als Zugabe spricht der Kabarettist seine Gäste persönlich an: „Eine Erzählung auf drei Ebenen ist Ihnen nicht vermittelbar. Die Fernseh-Verantwortlichen halten Sie, die Zuschauer, somit für blöd. Ich würde mir das nicht gefallen lassen. So gesehen löst nunmehr die formale die inhaltliche Zensur ab“. Sagt’s und geht. Doch den lang anhaltenden Applaus wird er in der Garderobe noch hören.