Veronika Mergenthal schrieb im Reichenhaller Tagblatt vom 3.5.11 über den "lautesten Pantomimen der Welt"

 

Magie und Melancholie eines Zirkusclowns

 

US-Amerikaner Peter Shub zieht

vor allem mit grandioser Pantomime in Bann

 

BAD REICHENHALL – Die Bühne wirkt wie eine Versuchsanordnung: Ein Garderobenständer mit einem einsamen Kleiderbügel, ein Stuhl und ein rundes Tischchen mit einer Tischdecke, einem Teller und einer braunen Papiertasche drauf. Dazwischen bewegt und spielt sich auf merkwürdige Weise Peter Shub in einem hellbraunen Mantel unter einer gleichfarbigen Kopfbedeckung. Ganz ohne rote Nase entfaltet er auf sanfte Weise die magische Suggestivkraft eines Zirkusclowns. Unmerklich wurde so ziemlich jeder im Publikum bei Shubs Programm „Für Garderobe keine Haftung“ im Magazin 4 wieder zum Kind.

Den ersten Teil des Programms bestritt der US-Amerikaner, der in allen großen Manegen der Welt zu Hause ist, ganz ohne Worte. Die Brücke von der spannungsgeladenen Pantomime zum Sprechenden bildete ein Mikrofon, das selbst zum Akteur in dem verrückten Stück wurde. Zunächst kamen daraus nur Laute aller Art, später auch ein köstliches Denglisch.

Die größte Kraft jedoch entfaltete Peter Shub in seinem pantomimischen Sequenzen. Sein ausdrucksstarkes Mienenspiel charakterisierte ihn als ein etwas unbeholfenes, verschämtes Wesen, dem dennoch der Schalk im Nacken sitzt. Virtuos waren seine isolierten Bewegungen, etwa, wenn er mit seinem schlangenartig sich windenden Zeigefinger das Publikum zählte. Wie ein Kleinkind experimentierte er mit den Alltagsgegenstände, kippte zum Beispiel den Kleiderständer, sodass der Bügel wie auf einer Seilbahn von einer Seite zur anderen rauschte, oder hängte sich selber als lebendiges Kleidungsstück in den Bügel.

Die oft surreal verfremdeten Gegenstände bekamen ein merkwürdiges Eigenleben, das für den Clown zuweilen zur Bedrohung wurde: So schnitt er einen Basilikumstrauch, dessen Blätter eben noch zu einer bewegten Cellomelodie lustig getanzt hatten, ratziputz mit der Schere kahl. Nur ein einziges Pflänzchen ließ er stehen. Später passierte ihm das Missgeschick, dass sein über ein Stativ geworfener Mantel lebendig wurde und die Pistole auf ihn richtete. Da galt es, die Dinge mit perfekter Koordination auszutricksen – etwa den am Riemen pendelnden Fotoapparat just in dem Moment, in dem er nicht nach vorne ausschlug, um den Hals zu hängen. Aus dem großen Fotoapparat holte Shub einen winzig kleinen hervor, der allein für sich schon komisch wirkte, und knipst damit im Zuschauerraum herum. Zusätzlich mit einer seltsamen runden, dunklen Brille „bewaffnet“, wirkte er wie eine Mischung aus Safari-Tourist und Insasse einer Irrenanstalt.

Immer wieder bezog er gekonnt das Publikum ein. Er teilte zum Beispiel jeder von drei Gruppen einen bestimmten Laut (Ah, Uh oder schnelles Klatschen) zu, spielte dann dirigierend wie auf einer Tastatur mit diesen drei Lauten und improvisierte so ein skurriles Sprechstück. Ein andermal zerrte  ihn ein unsichtbarer Hund an einer Leine hin und her.

Der zweite Teil verlor durch einen in sich schlüssigen, auch gut in die Inszenierung eingebundenen Kurzfilm von und mit Peter Shub – mit aphorismusähnlichen Pointen – etwas an Zusammenhang und Spannung. Auch nutzte der Comedian, dessen dunklere Kleidung nun an einen Clown-Magier denken ließ, die Effekte seiner Garderobe nicht so perfekt wie im ersten Teil. Nach einem kleinen Durchhänger jedoch gewann das Stück, in den nun die Sprache, Gags und vielleicht etwas zu viele Gegenstände dominierten, rasch wieder an Dynamik. Das selbstironische Fazit des Akteurs zum Schluss: Wenn ihn jemand frage, über was die Show handelt, sage er: „It is about two hours“. (Es dauert zwei Stunden).

Als er nach der Zugabe als Pantomime auf der Bühne verharrte und mit starrem, wehmütigem Blick winkte, bis der Letzte den Saal verließ, war er wieder ganz da, der alte Zauber, der aus der Reduktion und Konzentration mit ganz einfachen Mitteln entsteht. Von diesem möchte man gern mehr erleben, ebenso von dem zauberhaften stummen Aktionen zu Musik und Lichteffekten.